Freitag, 22. Dezember 2017

Königskind



Predigt an Heiligabend 2017 (24.12.17)

Jesaja 9, 1-6
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Uns geboren
Ich bin geboren. An einem bestimmten Ort bin ich geboren. Zu einer bestimmten Zeit bin ich geboren. So wie jeder Mensch. Jeder Mensch ist an einem bestimmten Ort geboren, zu einer bestimmten Zeit. Aber nicht dieser. Dieser eine nicht. Dieser eine ist an allen Orten, zu allen Zeiten geboren. Ich bin geboren für etwas, zu etwas. Ich bin geboren für mich, für mein Leben. Mein Leben: Das, was ich sein werden und immer schon bin, was ich sage, erleide, hoffe, liebe, schweige, glaube, tue und lasse. Mein Leben mit meinem „ich bin geboren“. Aber nicht dieser. Dieser eine nicht.
Er ist geboren uns, uns an allen Orten und zu allen Zeiten. Sein Ort, an den er bestimmt geboren wird, sind Menschen, sind wir, bin ich, ist mein Leben. Die Zeit, zu der er bestimmt geboren ist, ist Menschenzeit, unsere, meine Zeit, mein Leben ist es. „Ich“ das ist der Ort, die Zeit, der Adressat dieser einen Geburt. Uns ist er geboren, dieses Gotteskind. Mir ist es geboren, dieser Jesus. In mein Leben, für mein Leben, meinem Leben.
Hier: mein Leben, mein Ich, das, was ich bin, sein will, zu sein habe, manchmal nicht bin, das ist der Ort seiner Geburt. Bethlehem ist nur der Anfang, nur ein fassbarer, erzählbarer Ort, der eigentliche Ort sind wir, bin ich. Hier in meinem Leben wird jenes Kind, wird Gottes Sohn geboren, zu allen Zeiten, an allen Orten. In meinem Leben will er sein, mein Leben will er prägen, mein Leben soll sein werden. Mir ist er gegeben, geschenkt, geboren. Nicht in Bethlehem, sondern hier.
Ein Kind ist uns, ist mir geboren. Es ist der Anfang von allem meinem Leben, der Beginn, die Verheißung, das Versprechen, die Sehnsucht, mit der es beginnt. Das Gotteskind ist mir geboren, es ist verbindlich: Gott wird in meinem Leben, es entsteht hier, es wird kommen; Gott ist auf meiner Welt und sie ist ab jetzt nie ohne ihn, er wird darin aufwachsen, wachsen, leben, groß werden.

Ein Funke
Wie ein Funke in uns. Sehen wir Licht, sehen wir Hoffnung. Er ist uns bestimmt geboren und wir leben anders, wir wandeln im Dunkeln, im Finstern, in eigener Ratlosigkeit, in Ängsten, in „weiß-ich-nicht-weiter“, in eigener tiefster Verletztheit und Schuld, und doch wandeln wir im Licht, sehen Gott erstrahlen, erhellt er unsere Seelenecken, zerbricht er, was uns bedrängt, nimmt er von unseren Schultern, was uns niederdrückt, beschwert, zu Boden drückt, den Atem nimmt, erstarren lässt, hört er selbst das Dröhnen jener Schritte im Herzen, die uns das Leben schwer und unerträglich machen, sieht er die Füße, die uns treten, die Hände, die nach unserer Seele fassen, das Blut, das wir wie innerlich unter Tränenglut vergießen in mancher Seelennacht, sieht er alles und stemmt sich mit göttlicher Gewalt dagegen, zerstört, was uns durchs Leben treibt, zerbricht, was uns zerbricht, befreit von dem, was uns quält und unruhig macht.
Dies mächtige Kind ist mir geboren, mir und meiner Nacht. Es scheint hell herein, zerstört des Bösen Macht, lässt um mich Licht werden, weckt stillen Jubel, noch ganz still und kaum gedacht, kaum selbst gehörter Jubel, Jubel gleich dem Himmel, der die Erde zart schmerzlich berührt, gleich der Schöpfung, die ächzt und stöhnt und wunderbar geschaffen ist, gleich Menschen, die leiden, geschändet werden, verletzten und wunderbar geliebt, erlöst, befreit sind. Kind, uns geboren, DU machst uns jubelnd, froh; du Funke aus Stein geschlagen, Du Licht geboren für mein Seelendunkel, du Kraft zum Trotzdem-Beginn, in uns jubele deine Heilige Nacht.

Auf seinen Schultern
Auf seinen Schultern liegt alle Herrschaft, liegt das Gottesreich, das Leben selbst, das Gott uns selbst gebracht, das Gott für uns ausgedacht hat, das uns immer wieder gilt. Auf seinen Schultern liegt alles, was Menschen brauchen, liegt Friede für die Seele und über allen, liegt Recht, das uns gilt und das wir herrschen lassen, liegt Gerechtigkeit, die wir geschenkt bekommen und anderen beharrlich gewähren.
Auf seinen Schultern liegt das Kreuz, getragen hinauf nach Golgatha, liegt alles, was Sünde ist und Menschen beschwert. Auf seinen Schultern liegen wir, ein jeder von uns, Christen und Heiden, Kleine und Große, Sinnversunkene und Frohe, du und ich, liegen wir dort und werden auf seinen Schultern getragen.
Ein Kind, dieser erwachsene Christus, gekreuzigt und auferstanden, der ist uns geboren, in mein Leben hinein, mich tragend, mir an die Seite gesellt. Er will Herr meines Lebens sein; ich nicht sein Fremdbesitz, sondern er meines Lebenserfüller. Was für ein Kind, in mir groß geworden, ist mir da geboren, mir an die Lebensseite, mich zum seinem Königskind machend. Ein Wunderbarer, reich an Lebensvarianten, ein Starker an Liebe und Geduld, ein Held der kleinen Leute, ein Fürst mit Nichts und allem in der Hand, ein mich Bergender und Beschützender, einer, der um mich weiß, mich korrigieren darf und kann, der bei mir bleibt. Ich bin geboren, ganz bestimmt, ihm bin ich es. Amen.

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