Predigt an
Heiligabend 2017 (24.12.17)
Jesaja 9, 1-6
1 Das Volk,
das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen
im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß
die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man
fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die
Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am
Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder
Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn
uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf
seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron
Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und
Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN
Zebaoth.
Uns geboren
Ich bin
geboren. An einem bestimmten Ort bin ich geboren. Zu einer bestimmten Zeit bin
ich geboren. So wie jeder Mensch. Jeder Mensch ist an einem bestimmten Ort
geboren, zu einer bestimmten Zeit. Aber nicht dieser. Dieser eine nicht. Dieser
eine ist an allen Orten, zu allen Zeiten geboren. Ich bin geboren für etwas, zu
etwas. Ich bin geboren für mich, für mein Leben. Mein Leben: Das, was ich sein
werden und immer schon bin, was ich sage, erleide, hoffe, liebe, schweige,
glaube, tue und lasse. Mein Leben mit meinem „ich bin geboren“. Aber nicht
dieser. Dieser eine nicht.
Er ist
geboren uns, uns an allen Orten und zu allen Zeiten. Sein Ort, an den er
bestimmt geboren wird, sind Menschen, sind wir, bin ich, ist mein Leben. Die
Zeit, zu der er bestimmt geboren ist, ist Menschenzeit, unsere, meine Zeit,
mein Leben ist es. „Ich“ das ist der Ort, die Zeit, der Adressat dieser einen
Geburt. Uns ist er geboren, dieses Gotteskind. Mir ist es geboren, dieser
Jesus. In mein Leben, für mein Leben, meinem Leben.
Hier: mein
Leben, mein Ich, das, was ich bin, sein will, zu sein habe, manchmal nicht bin,
das ist der Ort seiner Geburt. Bethlehem ist nur der Anfang, nur ein fassbarer,
erzählbarer Ort, der eigentliche Ort sind wir, bin ich. Hier in meinem Leben
wird jenes Kind, wird Gottes Sohn geboren, zu allen Zeiten, an allen Orten. In
meinem Leben will er sein, mein Leben will er prägen, mein Leben soll sein
werden. Mir ist er gegeben, geschenkt, geboren. Nicht in Bethlehem, sondern
hier.
Ein Kind
ist uns, ist mir geboren. Es ist der Anfang von allem meinem Leben, der Beginn,
die Verheißung, das Versprechen, die Sehnsucht, mit der es beginnt. Das
Gotteskind ist mir geboren, es ist verbindlich: Gott wird in meinem Leben, es
entsteht hier, es wird kommen; Gott ist auf meiner Welt und sie ist ab jetzt
nie ohne ihn, er wird darin aufwachsen, wachsen, leben, groß werden.
Ein Funke
Wie ein
Funke in uns. Sehen wir Licht, sehen wir Hoffnung. Er ist uns bestimmt geboren und
wir leben anders, wir wandeln im Dunkeln, im Finstern, in eigener Ratlosigkeit,
in Ängsten, in „weiß-ich-nicht-weiter“, in eigener tiefster Verletztheit und
Schuld, und doch wandeln wir im Licht, sehen Gott erstrahlen, erhellt er unsere
Seelenecken, zerbricht er, was uns bedrängt, nimmt er von unseren Schultern,
was uns niederdrückt, beschwert, zu Boden drückt, den Atem nimmt, erstarren
lässt, hört er selbst das Dröhnen jener Schritte im Herzen, die uns das Leben
schwer und unerträglich machen, sieht er die Füße, die uns treten, die Hände,
die nach unserer Seele fassen, das Blut, das wir wie innerlich unter Tränenglut
vergießen in mancher Seelennacht, sieht er alles und stemmt sich mit göttlicher
Gewalt dagegen, zerstört, was uns durchs Leben treibt, zerbricht, was uns
zerbricht, befreit von dem, was uns quält und unruhig macht.
Dies
mächtige Kind ist mir geboren, mir und meiner Nacht. Es scheint hell herein,
zerstört des Bösen Macht, lässt um mich Licht werden, weckt stillen Jubel, noch
ganz still und kaum gedacht, kaum selbst gehörter Jubel, Jubel gleich dem Himmel,
der die Erde zart schmerzlich berührt, gleich der Schöpfung, die ächzt und
stöhnt und wunderbar geschaffen ist, gleich Menschen, die leiden, geschändet
werden, verletzten und wunderbar geliebt, erlöst, befreit sind. Kind, uns
geboren, DU machst uns jubelnd, froh; du Funke aus Stein geschlagen, Du Licht geboren
für mein Seelendunkel, du Kraft zum Trotzdem-Beginn, in uns jubele deine
Heilige Nacht.
Auf seinen Schultern
Auf seinen
Schultern liegt alle Herrschaft, liegt das Gottesreich, das Leben selbst, das
Gott uns selbst gebracht, das Gott für uns ausgedacht hat, das uns immer wieder
gilt. Auf seinen Schultern liegt alles, was Menschen brauchen, liegt Friede für
die Seele und über allen, liegt Recht, das uns gilt und das wir herrschen
lassen, liegt Gerechtigkeit, die wir geschenkt bekommen und anderen beharrlich
gewähren.
Auf seinen
Schultern liegt das Kreuz, getragen hinauf nach Golgatha, liegt alles, was
Sünde ist und Menschen beschwert. Auf seinen Schultern liegen wir, ein jeder
von uns, Christen und Heiden, Kleine und Große, Sinnversunkene und Frohe, du
und ich, liegen wir dort und werden auf seinen Schultern getragen.
Ein Kind,
dieser erwachsene Christus, gekreuzigt und auferstanden, der ist uns geboren,
in mein Leben hinein, mich tragend, mir an die Seite gesellt. Er will Herr
meines Lebens sein; ich nicht sein Fremdbesitz, sondern er meines
Lebenserfüller. Was für ein Kind, in mir groß geworden, ist mir da geboren, mir
an die Lebensseite, mich zum seinem Königskind machend. Ein Wunderbarer, reich
an Lebensvarianten, ein Starker an Liebe und Geduld, ein Held der kleinen
Leute, ein Fürst mit Nichts und allem in der Hand, ein mich Bergender und
Beschützender, einer, der um mich weiß, mich korrigieren darf und kann, der bei
mir bleibt. Ich bin geboren, ganz bestimmt, ihm bin ich es. Amen.
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