Samstag, 6. Mai 2017

Auf Wiedersehen



Predigt an Jubilate (7. Mai 2017)

Johannes 16, 16-17.19.20-23
Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. … Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: … Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden. Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.

Noch zweimal
Noch zweimal schlafen, zweimal zu Bett gehen, die Augen zu machen und aufstehen. Nur noch zweimal schlafen, angesichts der vielen Nächte, die du sonst schläfst, die du schon geschlafen hast, die du noch schlafen wirst. Nur zwei kleine Zeitabschnitte. Mehr nicht. Eine kleine Weile und dann noch eine kleine Weile. Zwei kleinen Weilen, absehbar, klar bemessen, klar beschränkt, unmittelbar aufeinanderfolgend. Angesichts all unserer Zeiten, Augenblicke, Momente, Stunden, Tage, Lebensjahre. Mehr nicht: Zwei kleine vergehende Zeiten, bald, schnell vergehend, zwei kleine Vergänglichkeiten – und dann werden wir sehen. Bald. Dann endlich. Dann Großes.
Jesus sehen. Nicht leibhaftig, wie die Jünger lange vor und kurz nach Ostern. Nicht leibhaftig, wie wenn er erscheint, um alles neu zu machen. Jesus sehen: Jesus lesen in der Heiligen Schrift, Worte über ihn, Worte von ihm, ihn zwischen und in den Worten. Jesus sehen: ihn hören, wenn andere von ihm sprechen, wenn andere von ihm predigen, wenn andere und wir selbst seine Worte sagen, weitergeben wie täglich Brot, wenn wir seine Taten tun, Menschen seinen Gott näher bringen. Jesus sehen: ihn überliefert bekommen, als Wort in den Worten, als Sinn zwischen den Zeilen, als Lebensinhalt quer zu allen Zeiten, als zugesprochenes, heilsames, richtend rettendes, nah fernes Liebes-Wort. Jesus sehen.
Noch zweimal schlafen, zweimal nur. Noch zwei kleine Weilen, nur noch kurz. Dann sehen. Immer auch dann. Inmitten, dass wir Jesus nicht sehen, ihn aus den Augen verlieren, unser Blick getrübt wird, durch eigenes und fremdes Fragen, dass wir ihn ferner als nah, unverständlicher als verstanden, fremder als vertraut sehen. Inmitten, dass wir Jesus nicht sehen: Nur eine Weile und dann noch eine.

Österlich sehen
Und dann: Österlich sehen. Immer dann österlich sehen. Genau so wie die Jüngerinnen am leeren Grab, die von der neuen Wirklichkeit angesprochen werden, die von ihr beseelt, geschickt, gesandt, auf einen neuen Lebensweg gesetzt werden; denen die Angst genommen wird, die auf das leere Grab verwiesen werden, wie wunderbar leer es ist, die gehen, die Jesus zu sehen bekommen, denen Jesus sich zeigt, die ihn umfassen, spüren, ihn in der Mitte wissen, die neu, ganz neu sehen.
Österlich sehen: Von Jesus selbst entdeckt in je unserer Zeit, von Jesus selbst mit seinen göttlichen Augen gesehen. Österlich sehen: Selbst sehen, sich selbst sehen als von Jesus angesehener Mensch, als von Gott gemachtes, gewolltes Geschöpf, als sein Ebenbild, als Bild des Gekreuzigten und Auferstandenen, als von Gott geliebter Mensch. Sich selbst im Blick Jesu ganz neu wiedersehen, die Welt im anderen, neuen Licht sehen.
Eine österliche Verwandlung im Augenblick. Der Blick, das Licht, der Horizont Gottes kommt in unsere Wirklichkeit, in unser Leben. Wir verwandeln uns, Gottes Wirklichkeit verändert, wie wir sehen, wie wir wahrnehmen, wie wir denken, wie wir einordnen, bewerten, was wir erleben, erleiden. Aus Traurigkeit erwächst Freude, im Schmerz wird die Neugeburt, in Angst keimt Hoffnung, im Weinen trocknet Gott die Tränen.

Alles beantwortet
Und: Die Jünger fragen nicht mehr. Jene Jünger, deren wiederholtes Fragen wir in uns tragen, fragen nichts mehr. Alles Fragen hat in jenem Augenblick, in jenem Augenblick, wo Menschen Jesus sehen, in sein Bild einer neuen Welt, einer siegenden Liebe, hinein genommen werden, selbst dieses Bild sehen, daraus leben beginnen, alles Fragen hat sein Ende. Alles Fragen hat ein Ende, all dieses Suchen, all diese ungewisse Offenheit, in der wir hinein fragen. All unsere drängenden, sorgenden, quälenden, ängstlichen Fragen im Kopf, in der Seele, im Herzen haben ein Ende. Für einen Augenblick. Für einen wunderbaren Moment.
Alles ist beantwortet. Alle fehlende Antwort wird gegeben, ist gegeben, Antwort auf Wohin und Woher, Antwort auf Warum und Wozu von uns, wird gegeben, ist da. Wir sind wie angekommen, endlich. Wir sind wie beantwortet und wir selbst sind Antwort, Antwort auf Gottes ewiger Frage nach uns. Was für ein menschlich göttlicher Augenblick muss das sein: keine Fragen mehr, alles drängende Lebenswichtige beantwortet.
Ein stiller, ein ruhiger, Atem anhaltender, Atem holender Augenblick, voller Gewissheit, Ewigkeit in der Zeit. Angekommen ….endlich. Nur zwei kleinen Weilen. Zweimal schlafen. Bald. Immer wieder bald, immer wieder gleich. Immer wieder da. Grund ewiger Freude. Sie kann uns keiner nehmen, Gottes Gabe ist sie, sein Lebensgeschenk. Sie lässt immer wieder alles andere in den Hintergrund treten, vergessen, das Nichtsehen, die Angst, den Schmerz, das Vorösterliche im Leben. Es ist eine tief in uns geborenen, liegenden Freude, Freude über unser Dasein in Gott. Amen.

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