Predigt zum Abschied (12. April 2015)
Lichtraum
Im ersten
Blick: Ein gebrochen licht erfüllter Raum. Hell, belichtet. Abschattungen.
Leicht dunkler werdend. Das Licht fällt durch die Fenster ein, fällt in den
Raum, setzt sich fort, gewinnt Gestalt. Sein Hineinfallen wird nachvollziehbar,
sichtbar, spürbar. Das, auf das das Licht fällt, sind Gegenstände, dem Licht
entgegen, verschlucken es, und sind durchlässig zugleich, leuchten.
Im zweiten
Blick: Hemden, stilisiert, aufgehängt, aneinandergereiht, ganz nah am Licht
heller, weiter unten dunkler, aber immer da und mehr und weniger durchsichtig,
durchhängend. Durch sie bekommt das Licht eine sichtbare Richtung, sein Hinein
in den Raum. Die Hemden fangen das Licht auf, nehmen es und werden dunkler, je
näher es uns kommt. Wir Hemdenträger. Hemden Menschen-Korpus in reduzierter
Form, ausgestreckte Arme, kopflos, einer und eine neben dem anderen,
merkwürdige Gemeinschaft, vom Licht irgendwie bewegt.
Im dritten
Blick wird alles als Chor, als Chorraum sichtbar, dort hängen die Hemden, dort
fällt das Licht ein. Irgendein Chorraum, irgendeiner Kirche, vielleicht
frühmorgens, vielleicht fern vertraut. Jetzt unserem Blick ist klar: Wir sind
im Raum der Kirche. Wie so oft. Der Chorraum wirkt an sich eher unbenutzt, eher
sonst ungebraucht, irgendwie fast entleerter, leerer Raum. Wie so oft Kirchen.
Eine nette Installation, eine nutzlose Schönheit vor Augen gehängt: Schön,
nutzlos wie vielleicht Kirche, Glauben zu unserer Zeit.
Und
trotzdem fällt dieses Licht – als wäre es für uns, unsere Seele gedacht,
gemacht, hinein.
Erfüllen
„Herr, ich
bin nicht würdig, dass du eingehst unter meinem Dach. Aber sprich nur ein Wort,
so wird meine Seele gesund.“
Wort des
Hauptmann von Kapernaum, Wort der Liturgie der Geschwister, doppelbödiges Wort:
ein eingehender Gott, Gott geht ein.
Unter
meinem Dach. Mein Dach aus Wörtern gebaut. Seit 12 Jahren. An diesem Ort. Dach
aus Predigtworten, aus Sitzungsworten, aus gedachten, gesagten, gemeinten
Worten, Wortdach gebaut in unzählige Stunden. Für Euch. War ich würdig, dass
Gott unter all meine Wortdächer einging? War all das, was ich getan, würdig,
ihm entsprechend, Gott gefällig. Wer kann mir diese Frage beantworten?
Sprich nur
ein Wort, inmitten all meiner tausenden Worte über dich, sprich nur ein Wort,
Herr. Habe ich dich gehört, mir dich sagen lassen, hast du sie, diese einen
Worte, zu mir gesagt, still am Schreibtisch, in leere Gedanken hinein. Im Kreis
der Anderen - und ich sie weitergesagt, weitergesagt Euch. Damit wir alle zusammen
gesunden, gesund werden an dem wichtigsten, was wir von dir haben, an unserer
Seele, ihr, und ich, Gemeindeseele und Pfarrerseele.
Und doch
fiel dieses Licht in den Chorraum unserer aller Seelen.
Herausgesetzt
Worte
fallen aus unseren Mündern, wie faule Äpfel, wie kostbarste Früchte, Hassworte
und Liebesworte, graue und bunte Alltagsworte dazu; irgendwo in unserem Kopf
gedacht, irgendwie entstanden in unseren Gefühlen, entnommen aus der Welt der
Worte, entlehnt von anderen, gebeugte, mit unserem Leben durch deklinierte
Worte, von verbunden zu Sätzen, freudvoll, mit Schmerz vermengt, stotternd,
unter Küssen, kommen sie heraus aus uns, werden sie freigesetzt und sind da.
Worte aus
dem Mund sind draußen, nicht zurückholbar, sie bewegen sich, frei schwebend,
gezielt, treffend, wirken, das was sie sagen, verletzen, sedieren, beseelen,
erhellen. Und Worte sind manchmal furchtbar leer, hohl, trügerisches Geschwätz,
besser nie gesagt; Worte sind leer, entleert, verhallen ungehört, bleiben ohne
Wirkung, berühren so wenig. Jeder hat Angst vor leeren Worten, ich hab sie;
Worte, die leer zu mir zurückkehren, umsonst gesandt.
Wozu ich
gesandt bin: Euch gegenüber. Beauftragt als Pfarrer dieser Kirche, verpflichtet
nach ihrer Ordnung, allen Menschen eines Ortes frei und öffentlich das
lebensspendende Wort zu schenken. Ist es gelungen? War ich Wortträger? Weniger?
Hemdträger vielleicht. Eines von diesen da, die da hängen, irgendwo dazwischen,
irgendwo unter euch gehängt. Mehr? Deutlich mehr? Sagt es mir? Nur in Treue und
in Gehorsam gegen Gott, sollte ich es tun, versprach ich.
Und doch,
und doch – Gott sei Dank - fällt das Licht einfach ein.
Verändert zurück
Gottes
Wort. Zugegeben: eines unter anderen. Aber: Keines, das leer ist. Niemals
leeres Wort. Bitte. Gottes Wort trägt Gott in sich, eigentümlich frei
eingefangen in Buchstaben, die Menschenmünder sprechen. Es trägt in sich tief bis
obenhin Jesus Christus in sich, das Leben selbst, die Fülle, Höhe und
Erniedrigung, unzählige wunderbare Worte von ihm, die Liebe nie endend. Es geht
aus Mündern heraus, wird von IHM selbst entlassen, frei gesetzt.
Gottes Wort
kehrt ein in diese Welt, in die kleine und in die große, in die hier in
Haslach, in die im Südwesten, überall; radikalst gibt es sich ganz hinein in
unsere Seelenwelten, in all den Morast und Schmutz, in alle Elendigkeit, in das
noch so kleine, geht es ein bis in die Unkenntlichkeit. Und kehrt zurück,
zurück zu Gott, hat es alles eingeholt in Liebe, eingeholt in sich, blieb es
nie unberührt von uns, wurde es verändert, hat es sich vermengt, vermischt mit
unseren Worten, mit unseren Liebesschwüren, mit unserer Verzweiflung, mit
unseren Tränen, Hoffnungssätzen, mit unseren Unzulänglichkeiten, mit uns,
seinen geliebten Geschöpfen.
Kehrt es zurück.
Ein wunderbarer Lichteinfall Gottes. Wir ganz transparent, durchsichtig,
durchleuchtet. Ihr und ich. Ein letztes und erstes Mal. Gottes Wort tut, was
ihm gefällt. Es gelingt, wozu er es sendet. Wir alle: Quasimodogeniti. Wie
neugeboren. Seine Chorraummenschen. Gott schütze eure Seele. Amen.
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