Predigt am 14. Sonntag nach
Trinitatis (1.09.2013) zu
„I have a dream“ von Martin Luther King
Träumen
Von was träumen wir? Nicht in den Nachtträumen.
In den Tagträumen. Wenn wir in uns etwas ausmalen, vorstellen, wünschen, etwas was
werden soll. Erreichbares und Unerreichbares. Bilder, Gedanken, Wünsche, die
uns entheben vom Alltag, beflügeln, vertrösten, täuschen. Was wir uns
erträumen, hängt von dem ab, wie unsere Wirklichkeit aussieht, ob sie uns
bedrückt, ob sie grau ist, ob sie etwas übrig hat, von dem wir träumen, was
anders, besser, schöner werden soll.
Träumen wir noch? Oder haben wir uns
das schon lange verboten? Hat die Realität uns das Träumen ausgetrieben oder
ist alles, so wie es sein soll? Haben wir schon alles ausgeträumt? Wir kennen,
haben Alpträume, dunkle Bilder, wie schrecklich es sein kann und auch manchmal
ist. Haben wir dagegen Träume, wie es wieder gut wird? Träume sind keine
Visionen, Leitbilder, die man mit Zielsetzungen und guten Methoden erreichen
könnte. Träume bewegen sich fast spielerisch, sehnsüchtig in Balance, auf dem
Grat zwischen unerreichbar und doch machbar, zwischen unwirklich und doch
möglich.
Träumen wir gemeinsame Träume?
Träume, die nicht nur ich habe oder du, sondern wir beide, wir gemeinsam, die
wir teilen, wie etwas, nach dem es sich gemeinsam streben, auf das sich
gemeinsam hoffen lässt. Träume, die die Menschheit träumt? Irgendwo tief
verankert in unserer gemeinsamen Geschichte und in einer gemeinsamen Zukunft.
Träume davon, wie unser Leben gemeinsam aussehen soll, könnte, wie es für uns,
für uns alle besser wäre. Ist da schon alles eingelöst?
I still have a dream
Martin Luther King hat vor 50 Jahren
so einen gemeinsamen Traum in Worte gefasst. Er hatte einen Traum von einer
Oase der Gerechtigkeit, von einem Tisch der Brüderlichkeit, von einem neuen
Exodus in die Freiheit hinein.
Sein Traum war ein gemeinsamer Traum. Auch wenn er immer wieder Ich sagte, träumte er für
alle, mit allen, träumte er alle, Schwarze und Weiße, Arme und Reiche,
Schwestern und Brüder. Sein Traum war ein
alter, ewiger, wahrer Traum. Einer, der Wurzeln hatte, die hinunter reichen
in das tiefe Bewusstsein der Menschen, der uneingelöst war, der versprochen war,
der jetzt geträumt wird, der jetzt sich beginnt zu erfüllen, dessen Tag
gekommen ist, der die Zukunft in Bilder so herbeiholt, dass sie beginnen zu
werden, einer, der kleine und klein gemachte Menschen in seiner Größe
hineinnimmt und sie so zu seinem Teil, zu seiner Bewegung macht.
Sein Traum war ein kämpferischer Traum. Einer, der aber mit den Waffen des Geistes, der Wort,
der Hoffnung und des Glaubens kämpfte, der nie gewaltsam gegen andere kämpfte,
der Leiden ertrug und darin erlösende Kraft sah, der unzufrieden war, aber nie
aufgab, der beharrlich war und nie verzweifelte, der die Kraft gab,
aufzustehen, zu singen, erschallen zu lassen überall, von was er träumte. Sein
Traum war ein ganz alltäglicher Traum. Einer, der Menschen von ihm faszinierte,
der in Menschen selbst diesen Traum erwachen ließ und sie dorthin diesen Traum
sagen, leben ließ, wo sie waren, lebten. Ein Traum, der nicht fern der
Wirklichkeit war, sondern der für die Wirklichkeit war, in ihr seine Wurzeln
hatte und Menschen ihn dort weiter träumen ließ, wo sie lebten, wo der Traum ihre
Wirklichkeit zu einer andere werden ließ.
Gott träumt
Christen träumen Gottes Traum.
Nirgendwo wird in der Bibel gesagt, dass Gott träumt. Nirgends. Und doch ist
dieses Buch, sind diese Worte ein einziger Traum Gottes, seine Vorstellung,
sein Wunsch, sein Wollen, sein Hoffen, seine Vision, seine Bestimmung von der
Welt, von Menschen, von mir und von dir, von uns.
Martin Luther King hat einen
göttlichen Traum geträumt. Denn Gottes Traum ist ein gemeinsamer Traum, ist ein
alter, ewiger, wahrer Traum, ist ein kämpferischer, ist ein alltäglicher Traum.
Denn Gott ist ein liebender Gott, der uns alle schon immer und immer wieder
ewig liebt, der uns leidenschaftlich, kämpferisch liebt, der uns als seine alltägliche
Menschen liebt, so wie wir sind.
Gott hat seinem Traum ein Gesicht seiner
Liebe gegeben. Sein Traum gewinnt Gestalt in Jesus Christus. Er ist das
Ebenbild Gottes, in das Menschen hineinverwandelt werden sollen, so dass sie zu
Gottes Ebenbild werden. Menschen sind unterschiedlich, immer. Sie werden nicht
gleich geboren, die einen werden in den Slums geboren, die anderen im
Nobelviertel, die einen sind homosexuell, die anderen heterosexuell, die einen sind
intelligent, die anderen mit großen Herz, die einen haben schwarze Haut, die
anderen weiße. Menschen haben Unterschiede, von Anfang an und noch mehr im
Leben, das unterschiedlicher manchmal nicht sein könnte, und manchmal reiben Menschen
sich an ihrer Unterschiedlichkeit bis zur Unerträglichkeit, benachteiligen und bevorzugen
einander, beherrschen einander und lassen Unterschiede herrschen.
Gottes Traum ist es aber, dass
Menschen einander immer zuerst als seine Ebenbilder anschauen, wahrnehmen,
erkennen, achten; immer wieder, auch wenn´s an die Schmerzgrenze geht. Sein
Traum ist es, dass Menschen im anderen Christus, sein Bild, suchen, sehen,
entdecken, auch wenn es dazu immer einen zweiten, dritten, beharrlichen, zu
recht liebenden Blick braucht.
Dann würden in diesem Blicken die
Unterschiede nur eine zweite Rolle spielen, sie würden nicht den Ausschlag
geben. Weil Gottes Licht auf alle fiele, weil alle zuerst als seine geliebten
Geschöpfe erschienen, denen Leben und Zukunft gehört, deren Würde in Gott
gründet. Dann würden alle gleich gesehen werden, dann würden alle einen gemeinsamen
An-Blick teilen und Brüder und Schwestern sein, dann würden alle frei werden,
frei so zu leben, wie geliebte Menschen, so wie Christus von Gott. Amen.
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