Predigt
am 5. Sontag nach Trinitatis
1. Mose 12, 1-4a
Und
der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner
Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen
will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir
einen großen Namen machen, und du sollst bein Segen sein. 3 Ich will segnen,
die dich segnen, und averfluchen, die dich verfluchen; und bin dir sollen
gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4 Da zog Abram aus, wie der HERR
zu ihm gesagt hatte.
Ein paar Schuhgrößen kleiner
Es
sind große Schuhe, die Abram da trägt. Es sind große Fußstapfen, die er macht
und die er hinterlässt. Zu groß. Der Text, das, was da berichtet wird und
geschieht, ist wie ein paar Schuhgrößen zu groß.
Zu
groß ist die Aufforderung Gottes an Abram: Er soll herausgehen nicht nur aus
dem Vaterland, nicht nur weg von der Verwandtschaft, sondern sogar raus und weg
aus dem eigenen Haus, aus der Heimat, aus dem Gewohnten, aus dem, was bisher
war. Sehr groß ist auch das Versprechen Gottes: Gott verspricht Abraham nicht
nur ihn in ein anderes, fremdes Land zu führen. Gott will ihn sogar zu einem
großen Volk machen, er will ihm einen großen Namen machen. Gott will Abram
nicht nur segnen und ihm zu Segen werden lassen für alle Geschlechter, an Abram
sollen sich sogar Segen und Fluch Gottes entscheiden.
Sehr
gehorsam Abram, sehr radikal seine Vertrauen, ungeheuerlich die Zusage Gottes.
Das ist fast ein paar Schuhgrößen, ein paar Fußtapfen zu groß. Geht es vielleicht,
geht es bitte ein bisschen kleiner? Etwas kleiner.
Ich zeig dir was
„Ich
zeig dir was“, Gott spricht das. Gott sagt das zu mir. Ich meine es zumindest.
Er spricht es unspektakulär. Oder zumindest höre ich es so. Fast nebenbei. In
meinem Kopf, in meiner Seele, in mir wächst aber etwas, es wächst die kleine
Sehnsucht nach diesem „Ich zeig dir was“.
Gott
zeigt mir was. Vielleicht hinter vorgehaltener Hand oder halb verdeckt. Er
zeigt mir etwas, was ich bis jetzt nicht sah, nicht hatte, nicht ahnte, nicht
war. Etwas aber, was zu mir gehört, was mir fehlte, ohne dass ich es wusste,
was größer ist als ich, aber nicht nur gefährlich, was mehr ist als ich, aber
mich auch aufnehmend, erhebend, erfüllend. Etwas, das ist wie eine Bestimmung,
ein Auftrag, eine Verheißung. Alles zu viel gesagt vielleicht. Aber eine kleine
Vision ist dieses Etwas schon, was Gott mir zeigt. Es ist eine kleine Vision
für mich, für den anderen Alltag, ein Stück Anderland, ein Stück Segen,
Heilwerden, Glück.
„Ich
zeig es dir“, Gott spricht leise, sanft, aber zu mir, unauffällig, aber seine
Vision von mir setzt mich in Gang, erst ganz langsam, zögernd, innen drin, aber
ich beginn, mich ein bisschen zu bewegen, aufzubrechen. Fast, nur fast wie
Abram.
Ein bisschen bewegen
Sich
ein bisschen raus und woanders hin bewegen, gehen. Das muss nicht viel sein.
Raus aus dem Gewohnten. Das ist leicht gesagt, aber manchmal verdammt schwer
getan. Das Gewohnte ist gewohnt, ist sicher, ist auch gut, hält einen, man
klebt dran fest, manchmal fesselt es. Aber doch: Sich an einem kleinen
Lebenspunkt davon wegbewegen, lösen, aufmachen, raus auf einen kleinen Weg
machen, aufbrechen.
Das
wäre wie sich selbst aufbrechen. Selbst an seinen winzigen, aber wichtigen
Lebensporen offen sein oder werden, seine kleine Lebensöffnungen finden und
sich verlassen. Das ist kein Auszug mit Sack und Pack, kein radikaler Wechsel
von allem, was einem lieb und teuer ist. Es ist aber schon ein bisschen davon.
Es ist schon so wie bei Abram, oder bei den Jüngern Jesu, als er sie rief.
Menschen öffnen sich der großen Vision Gottes, die er sicher für uns hat, für
unser Leben, so wie es ist und so wie es werden soll. Wir öffnen uns, kommen
vielleicht raus aus unserem Schneckenhaus, lassen uns von der Vision Gottes wie
ziehen, anziehen und machen uns los, los von alten Sachen, von unlösbaren
Fragen, von dumpfen Vorbehalten, von vergangenen Schmerzen, von allzu
Eingefahrenem, von ewigen Ängsten, von schalen Lebensträumen.
Wir
machen uns los von einem Etwas, was davon abhält, Gott ein Schritt
entgegenzugehen, auszuziehen Richtung gelobtes Land, Richtung „ich zeige es
dir“. Fast wie bei Abram.
An mir liegt´s
Es
liegt an mir. Ob ich mir das Etwas zeigen lasse, ob ich mich bewegen lasse und
mich bewege. Von der Vision Gottes für mich. Von ihm. Es liegt auch an Gott. Ob
er mich anspricht, ob er mir etwas zeigt, ob er mich hineinnimmt in seine
Vision und auch im Kleinen losschickt.
Gott
bewegt mich und ich lasse mich von Gott in Bewegung setzen und ich merke: Ihm
liegt an mir. Aus mir wird etwas, etwas von dem, was Gott von mir will, was
meine Bestimmung und Aufgabe ist von ihm aus. Das muss nicht so radikal, so
alles umwälzend, so groß und wuchtig sein wie bei Abram. Es kann an einem Punkt
in meinem Leben sein, in einem Bereich, mit einer Idee oder Tat, manchmal auch
nur mit einem Wort. Aber dann spüre ich: Ich bin gerade ein Teil, ein Etwas
seiner Vision, seiner Bewegung, seiner Liebe.
Und
dann spüre ich an mir: Mensch, an dir liegt es. Es ist nicht so, dass sich
jetzt alle guten und schlechten Geister an mir scheiden müssten. Es ist nicht
so, dass sich Segen und Fluch Gottes, Weh und Ach, Hop oder Top gerade an mir
entscheiden würden. Aber ich merke: Es liegt eben auch an mir, genau an mir, ob
Gottes Vision sichtbar wird, ob sich etwas von Gott bewegt, ob Menschen bewegt
werden von ihm, ob andere auch etwas von ihm zu sehen, gezeigt bekommen.
Ich
spüre, wie Gott mir etwas zeigt, eine kleine Vision, wie aus mir an einem Punkt
der wird, der ich sein soll, wie mich das rausbringt aus altem Trott, mich
tiefer beseelt, ja mich auch im Dunkeln trägt. Es liegt dann an mir, das auch
zu sein, zu zeigen, weiterzugeben, ein Stück von Gottes Vision, von seinem
Segen, von seiner großen Liebe.
Hosentaschengröße
Unser
Text ist klein. Es sind nur viereinhalb Verse. Es sind nicht einmal hundert
Worte. Mancher Einkaufszettel ist länger. Aber seine Spuren, seine Fußstapfen,
seine Bedeutung sind groß, erheblich, wichtig.
In
meine hintere Hosentasche oder in meinen Geldbeutel, da stecke ich mir den
kleinen Text hin, den kleinen wichtigen Text voller Visionen Gottes von mir,
von Abram und von euch. Ich nehme ihn so mit. Ich nehme ihn mit ab jetzt für
die ganze Zeit des Sommers, und lass ihn mit umziehen von Hosentasche zu
Hosentasche, von Ort zu Ort sicher in meinem Geldbeutel. Überall ist der dabei,
wohin ich auch gehe. Ich versuche mich an diesen Zettel, an seine Worte zu
erinnern, an das Große, was darauf steht, was drin steckt, an das Große, was
Gott auch mit mir vorhat. Amen.
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